Heidemarie

Kasanowski

Diplom-Bildhauerin

Aktuell

 

Workshop
Skulpturen in Sandstein

Neue Ter­mi­ne: 11./12. Mai und 01./02. Juni 2024

Ein Kurs der Volks­hoch­schu­le Ber­lin- Lich­ten­berg auf dem Gelän­de der Kul­tur­gie­ße­rei Schöneiche

In die­sem Work­shop sam­meln Sie Erfah­run­gen mit Stein als Bild­hau­er­ma­te­ri­al: Sie erle­ben sei­nen sprö­den, dich­ten und kom­pak­ten Mate­ri­al­cha­rak­ter und üben, ihn mit so wenig Kraft­an­stren­gung wie mög­lich zu bear­bei­ten.
Zunächst skiz­zie­ren wir ein­fa­che Skulp­tur-Ideen auf Papier und in Ton. Mit Fäus­tel und Bild­hau­e­rei­sen ver­wirk­li­chen wir die­se dann in säch­si­schem Sandstein.

In gemä­ßig­tem Arbeits­tem­po kann ein fast medi­ta­ti­ver ent­span­nen­der Rhyth­mus ent­ste­hen aus dem Wech­sel von Beob­ach­ten und Pla­nen der räum­li­chen Gestalt unse­res Steins und dem Abschla­gen gekenn­zeich­ne­ter Berei­che. Die­ses Tem­po und die­sen Rhyth­mus sol­len die Teil­neh­men­den bewusst wahr­neh­men und genießen.

Geeig­net für Anfän­ger und für Teil­neh­men­de mit Erfah­run­gen im plas­ti­schen Gestal­ten und als Vor­be­rei­tung auf eine künst­le­ri­sche Ausbildung.

Info und Anmel­dung: Volks­hoch­schu­le Lich­ten­berg, Paul-Juni­us-Str. 71, Tel. 030 / 90296597
www​.vhs​-lich​ten​berg​.de

Mei­ne wei­te­ren Kurs­an­ge­bo­te in der Kul­tur­gie­ße­rei Schön­ei­che oder in Ihren Räumen:

– Auf­bau­ke­ra­mik

– Speck­stein schnitzen

– Thea­ter­plas­tik (Skulp­tu­ren aus Maschen­draht und Papier, Mas­ken bauen)

– Zei­chen- und Model­lier­un­ter­richt: Por­trät, Akt und Figu­ren im Raum

– Sie kön­nen bei mir Ihre Arbeit in Gips abformen

Künstlerische Arbeiten

Steine & Steinzeug

Die Arbei­ten aus Stein­zeug sind gebrannt bei gemein­schaft­li­chen Brenn­ak­tio­nen im Holz­brand­ofen
von Syl­via Boh­len in Saalfeld

Installation

»Schau­fel­Rat« zeigt mei­nen Dia­log mit den Gege­ben­hei­ten eines bestimm­ten Rau­mes: Dach­ge­schoss des Maga­zin­ge­bäu­des im Muse­ums­park der Bau­stoff­in­dus­trie in Rüders­dorf, gegen­über der Uhr im Uhren­turm. Sie ist auch ein Dia­log mit dem von mir gewähl­ten Gegen­stand, mit sei­ner Form und sei­ner Rol­le als ver­län­ger­ter Arm des Men­schen, als Werk­zeug im Lauf der Zeit. Gut wäre es, könn­te der Ein­druck des Rau­mes in der Phan­ta­sie des Besu­chers gra­ben, Gedan­ken heben, sam­meln, zusam­men­krat­zen, häu­fen, mischen, ord­nen, bewegen…(aus dem Faltblatt)

Objekt

Die Schaum­kü­gel­chen des Sty­ro­por die­nen pas­sen­der­wei­se der Deko­ra­ti­ons­bran­che als Kunst-Schnee­flo­cken. Und mit kal­tem Prag­ma­tis­mus zie­hen die meis­ten Haus­be­sit­zer den preis­wer­ten Plas­tik-Wär­me­dämm­stoff umwelt­freund­li­che­ren Alter­na­ti­ven vor.

Mir berei­te­te es Ver­gnü­gen, den als ekel­haft, häss­lich, tak­til unan­ge­nehm gel­ten­den Stoff, der in unse­rem All­tag sel­ten sicht­bar, doch in gro­ßer Men­ge vor­han­den ist, zum Trä­ger von klei­nen Tex­ten aus der gut­bür­ger­li­chen Lite­ra­tur und der Wer­bung zu machen. Mei­nen Asso­zia­tio­nen fol­gend han­deln sie vom Win­ter und vom natür­li­chen Schnee.

Texte von Hans Christian Andersen, Wilhelm Müller, Christian Morgenstern, Ludwig Uhland, Shiki und Roseki

Sie lief vor­wärts, so schnell sie konn­te; da kam ein gan­zes Regi­ment Schnee­flo­cken; aber die fie­len nicht vom Him­mel her­un­ter, der war ganz klar und leuch­te­te von Nord­lich­tern; die Schnee­flo­cken lie­fen gera­de auf der Erde hin, und je näher sie kamen, des­to grö­ßer wur­den sie. Ger­da erin­ner­te sich noch, wie groß und kunst­voll die Schnee­flo­cken damals aus­ge­se­hen hat­ten, als sie sie durch ein Brenn­glas sah, aber hier waren sie frei­lich noch weit grö­ßer und fürch­ter­li­cher, sie leb­ten, sie waren die Vor­pos­ten der Schnee­kö­ni­gin, sie hat­ten die wun­der­lichs­ten Gestal­ten. Eini­ge sahen aus wie häss­li­che gro­ße Sta­chel­schwei­ne, ande­re wie gan­ze Kno­ten von Schlan­gen, wel­che die Köp­fe her­vor­streck­ten, und ande­re wie klei­ne dicke Bären, deren Haa­re sich sträub­ten, alle waren glän­zend weiß, alle waren leben­di­ge Schneeflocken.

Hans Chris­ti­an Andersen

Fliegt der Schnee mir ins Gesicht,
Schüttl› ich ihn her­un­ter.
Wenn mein Herz im Busen spricht,
Sing ich hell und munter.

Höre nicht, was es mir sagt,
Habe kei­ne Ohren;
Füh­le nicht, was es mir klagt,
Kla­gen ist für Toren.

Lus­tig in die Welt hin­ein
Gegen Wind und Wet­ter!
Will kein Gott auf Erden sein,
Sind wir sel­ber Götter.

Wil­helm Müller

Aus sil­ber­grau­en Grün­den tritt
Ein schlan­kes Reh
Im win­ter­li­chen Wald
Und prüft vor­sich­tig, Schritt für Schritt,
Den rei­nen, küh­len, frisch­ge­fall­nen Schnee.
Und dei­ner denk ich, zier­lichs­te Gestalt

Chris­ti­an Morgenstern

Es ist ein Schnee gefal­len
Und es ist noch nit Zeit
Man wirft mich mit den Bal­len
Der Weg ist mir verschneit.

 Mein Haus hat kei­nen Gie­bel
Es ist mir wor­den alt
Zer­bro­chen sind die Rie­gel
Mein Stüb­lein ist mir kalt.

 Ach Lieb, lass dich’s erbar­men
Dass ich so elend bin
Und schleuß mich in dein Arme!
So fährt der Win­ter hin.

Lud­wig Uhland

Obwohl doch Schnee liegt,
Die Ber­ge so pur­pur­rot
Im Abend­lich­te.

Shi­ki

Bar jedes Freun­des,
Auf die Hei­de gewor­fen,
Des Win­ters Mondlicht.

Rose­ki

Vita

1957gebo­ren in Potsdam
1978–1984Fach­schul­aus­bil­dung Thea­ter­plas­tik in Dres­den, Thea­ter­plas­ti­ke­rin im DEFA-Trick­film­stu­dio Dres­den und an der Staats­oper Dresden
1984–1990Stu­di­um an der Hoch­schu­le für Bil­den­de Küns­te Dres­den, Diplom als Bildhauerin
1992Umzug nach Ber­lin, 1995 Ate­lier im Ate­lier­haus Rüders­dorf, seit 2008 in der Kul­tur­gie­ße­rei Schöneiche
1995Stu­di­en­rei­se zu den stein­zeit­li­chen Fels­re­li­efs in Kare­li­en (Rus­si­sche Föderation)
2011Kata­log »zwi­schen räumen«
2014betei­ligt an Grün­dung und Auf­bau des Wohn­pro­jekt Schön­ei­che e.V., 2015 Umzug nach Schöneiche

Ausstellungen / Symposien 

1997»Sechs Künst­le­rin­nen aus Deutsch­land«, Mills Col­lege in Oak­land (Kali­for­ni­en)
1998Instal­la­ti­on »Schau­fel­Rat« im Muse­ums­park Rüdersdorf
1999»Fin­der­lohn – Bil­der und Objek­te von Annet­te Gun­der­mann und Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski«, Gale­rie Forum Ama­li­en­park Berlin
2000Pro­jekt »Kunst und Recy­cling« der Fir­ma DASS mbH, Ber­lin »Nati­on of Art«, Ate­lier­haus Rüdersdorf
2002Rest­Cy­cling-Art-Fes­ti­val Ber­lin, Stif­tung Natur­schutz, Berlin
2004»Acht Bild­haue­rin­nen«, Gale­rie Forum Ama­li­en­park Berlin
2008Instal­la­ti­on zum Pro­jekt »Kunst in der Tie­fe«, Schacht Rei­che Zeche Freiberg
2009Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski Skulp­tu­ren und Objek­te, Clau­dia Grab­arse Male­rei, Gale­rie im Turm, Berlin
2012»Im Auge des Betrach­ters«, For­men zeit­ge­nös­si­scher Skulp­tur, Gale­rie Forum Ama­li­en­park Ber­lin, Künst­le­rin­nen­pro­jekt »Beseel­te Stüh­le«, Potsdam
2017»Win­ter­rei­se- Kunst und Klang«, Gale­rie Forum Ama­li­en­park Berlin
2019, 2022»Leuch­ter«, »Objek­te«, Gale­rie VON Berlin

Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen in Dres­den, Ber­lin, Saal­feld, Rüders­dorf, Cho­rin, Boda Glas­bruk (Schwe­den)

1992, 1993,
1994
Kera­mik­sym­po­si­um »Frei­feu­er­ofen in Saalfeld«
1996Bild­hau­er­sym­po­si­um »Roter Gra­nit« in Meißen
1997Bild­hau­er­sym­po­si­um des Neu­en Säch­si­schen Kunst­ver­eins im Sand­stein­bruch Reinhardtsdorf
2001Holz­bild­hau­er­sym­po­si­um in Grün­hei­de, Plein­air »Post­in­dus­tri­el­le Land­schaft« des Kunst­ver­eins Ber­lin-Trep­tow in Eberswalde-Finow
2005, 2008Dozen­tin für Bild­haue­rei an der Thü­rin­gi­schen Som­mer­aka­de­mie Böhlen

Unter­richt und Pro­jek­te in der künst­le­ri­schen Bil­dung, Model­le und Abfor­mun­gen für Restaurierungsarbeiten

Texte zu Katalogen und Ausstellungen

Vorwort von Kerstin Baudis im Katalog zwischen Räumen, 2011

Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski ist eine Grenz­gän­ge­rin. Sie bewegt sich auf einer Zeit­schie­ne vor und zurück. Ihre Wer­ke zeu­gen von syn­the­ti­schen, tech­nik­hö­ri­gen oder schein­bar ver­gan­ge­nen Zeit­al­tern. Sie koket­tiert mit Über­bleib­seln tech­ni­scher Pro­zes­se, mit Gegen­stän­den, die der Kom­mu­ni­ka­ti­on dien­ten. Das Spiel kann begin­nen nach dem Fund eines Wor­tes aus einem For­mu­lar. Begriff­lich­kei­ten, teil­wei­se absurd, schei­nen Lebens­de­fi­zi­ten zu ent­sprin­gen, so dass es not­wen­dig wird, dazu eine eige­ne Fas­sung zu schaf­fen. Ver­ros­ten­den Fund­stü­cken, Frag­men­ten aus ver­gan­ge­nen Arbeits­pro­zes­sen, sieht man die Spu­ren ihres Gebrauchs an. So haben auch Stei­ne, als Hin­ter­las­sen­schaf­ten von Land­schaf­ten, noch vor ihrer Bear­bei­tung durch mei­ßeln­de Werk­zeu­ge ihre Unschuld bereits verloren.

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Zu spü­ren ist die Auf­merk­sam­keit der Künst­le­rin gegen­über dem, was Leben zurück­lässt als Zeug­nis der Ver­gan­gen­heit. Es ist weni­ger ein Inter­es­se an Neu­em, Glat­tem, als viel­mehr die Fra­ge: „Was bleibt?“ Jede Gesell­schaft ist gefähr­det, in ihrem Stre­ben nach Ord­nung im glei­chen Maße ihre Frei­räu­me zu ver­lie­ren. Was ist wert, bewahrt zu werden?

Zugleich for­dert Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski auf, All­täg­li­ches, Unspek­ta­ku­lä­res über­haupt wahr­zu­neh­men. Durch das Weg­fal­len des ehe­ma­li­gen funk­tio­na­len Bezu­ges wird der Blick frei für neue Zusam­men­hän­ge, und es ent­ste­hen fra­gi­le, koket­tie­ren­de oder sogar iro­ni­sche Kor­re­spon­den­zen, Situa­tio­nen, die Schutz Suchen­des aus­strah­len. Ein Zusam­men­schluss, der Zeit in Fra­ge stellt. Es stößt auf­ein­an­der, was nicht zuein­an­der passt. Dop­pel­deu­tig beti­telt, erschei­nen Nischen, die Phan­ta­sie kei­men las­sen. So auch der Kata­log­ti­tel „zwi­schen räu­men“. Er ent­springt dem Fül­len eines ima­gi­nä­ren Rau­mes mit All­tags­uten­si­li­en – oder ist an das Räu­men gedacht im Sin­ne von Besei­ti­gen, Ord­nen, etwas bewäl­ti­gen, beenden?

Als Absol­ven­tin der Dresd­ner Kunst­aka­de­mie den figür­li­chen Tra­di­tio­nen der Bild­haue­rei ver­pflich­tet, stellt Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski bei der Bear­bei­tung von Stein archai­sche Kon­stel­la­tio­nen her. In den letz­ten Jah­ren ent­stan­den Stein­skulp­tu­ren, die Ruhe aus­strah­len. Die schlich­te domi­nie­ren­de Form dik­tiert der ursprüng­li­che Block. Die Ober­flä­che lässt die Spu­ren der Bear­bei­tung erken­nen. Der Blick stößt auf Kan­ten, und es ent­steht sogar die Idee der Gefahr des Bru­ches eines so har­ten Mate­ri­als. Hat ein Stein eine Seele?

Der räum­li­che Bezug bei den Instal­la­tio­nen steht eben­so wie die ande­ren Arbeits­wei­sen immer im Zusam­men­hang mit dem Ver­hält­nis der Bild­haue­rin zur vor­ge­fun­de­nen Rea­li­tät. Wo die Arbei­ten prä­sen­tiert wer­den, ist nicht bedeu­tungs­los. Am Ran­de eines Tage­baus wirkt ein Raum, gefüllt mit hän­gen­den Schau­feln, abso­lut anders als in groß­städ­ti­schem Zusam­men­hang. Das Außen wird authen­tisch nach innen gezo­gen. Aus ihrer Lebens­si­tua­ti­on und dem Stand­ort ihres  Arbeits­raums erge­ben sich Mate­ria­li­en und Formen.

Sie sitzt nicht am anony­men Schreib­tisch als Denk­sport­are­na für kom­men­de Projekte.

Kers­tin Baudis

Gedanken zu einigen Arbeiten von Heidemarie Kasanowski
von Brigitte Hammer, 2010

Der in Bewegung befindliche Zustand oder von der Gabe der Verwandlung

Zwei gegen ein­an­der sich schmie­gen­de Volu­mi­na aus einem stei­ner­nen Block gehau­en erschei­nen auf den ers­ten Blick wie zeit­lo­se Ver­tre­ter der mini­ma­lis­ti­schen Kunst. Erst bei nähe­rem Hin­se­hen tre­ten die inhä­ren­ten Unre­gel­mä­ßig­kei­ten her­vor, offen­ba­ren sich die nur schein­bar par­al­lel ver­lau­fen­den Lini­en, die span­nungs­voll in fra­gi­ler Balan­ce ver­har­ren­den Kuba­tu­ren, die geglät­te­ten Ober­flä­chen mit abge­schlif­fe­nen, aber noch sicht­ba­ren Bear­bei­tungs­spu­ren. Und obwohl die­se Arbeit aus har­tem Sand­stein eine nicht-figu­ra­ti­ve ist, scheint sie wie von einer eigen­ar­ti­gen „huma­no­iden“ Aura umhüllt, die dem stei­ner­nen Bro­cken eine wun­der­sa­me Weich­heit gibt. Die­se 2006 ent­stan­de­ne und mit „Schritt“ beti­tel­te Skulp­tur der Bild­haue­rin Hei­den­ma­rie Kas­anow­ski ist trotz ihrer schlich­ten, von geo­me­tri­schen Lini­en bestimm­ten Erschei­nung ein beach­tens­wer­tes Bei­spiel für ihren Weg von der Gestal­tung der mensch­li­chen Figur zur Erschaf­fung von künst­le­ri­schen Raumerfahrungen.

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In den mehr als zwan­zig Jah­ren, die seit dem Abschluss des Stu­di­ums an der Hoch­schu­le für Bil­den­de Küns­te in Dres­den ver­gan­gen sind, ist ein viel­sei­ti­ges Werk ent­stan­den, das nicht so leicht einem Stil, einer Rich­tung, einem –ismus zuge­ord­net wer­den kann. Frü­he For­mun­gen der mensch­li­chen Figur, die am Anfang ihres Wer­kes als Bild­haue­rin ste­hen, sind als sit­zen­de, ste­hen­de und lie­gen­de Lei­ber aus Kera­mik und Bron­ze gestal­tet und erkun­den die figu­ra­ti­ve Plas­tik von ihren Grund­be­din­gun­gen her. Doch eine wache Beob­ach­tungs­ga­be ließ sie die Welt als eine ver­än­der­li­che erfah­ren und die in ihr leben­den und han­deln­den Per­so­nen als sich im Raum bewe­gen­de Indi­vi­du­en. Folg­lich konn­te ihr die Sta­tik eines in eine Pose gebann­ten Kör­pers als The­ma und Antrieb nicht mehr genü­gen. Viel­mehr fand sie den Aus­gangs­punkt für ihre Wer­ke in der pri­mä­ren Rea­li­tät des Mate­ri­als, des­sen phy­si­sche und men­ta­le Ener­gie zu erkun­den und zum Aus­druck zu brin­gen ist.

 Eine Serie von Skulp­tu­ren aus Metall­fund­stü­cken zeigt dies eben­so wie die Rei­he der Objek­te aus mit Tex­ten über­druck­ten Sty­ro­por­form­tei­len; die „Lau­sit­zer Land­schaft“ (1996) kann dies eben­so bele­gen wie die Instal­la­ti­on „Schau­fel­Rat“ (1998) im Maga­zin­ge­bäu­de des Muse­ums­parks in Rüders­dorf. Ihrem künst­le­ri­schen Weg der Unter­su­chung von plas­ti­schen Wir­kun­gen im Dia­log mit dem Mate­ri­al par­al­lel ver­läuft die Erar­bei­tung und Erpro­bung neu­er Tech­ni­ken der Bear­bei­tung. Der Kera­mik folgt das Metall, dem Metall der Stein, dem Stein die Ent­de­ckung der Abfall- und All­tags­ma­te­ria­li­en. Mit ihrer Arbeit „Boden­schatz Grund­was­ser“, dem Bei­trag zur „Kunst in der Tie­fe“ (2008) im Schacht Rei­che Zeche Frei­berg betritt sie eine neue Sphä­re und das nicht nur, weil sie mit der Ein­be­zie­hung von akus­tisch ver­mit­tel­ten Tex­ten ihren Wer­ken eine wei­te­re sinn­li­che Dimen­si­on hin­zu­fügt, son­dern auch, weil sie die Fund­ma­te­ria­li­en für einen bestimm­ten Zweck bear­bei­tet und verfremdet. 

 In der Grup­pe der aus Fund­ma­te­ria­li­en kom­po­nier­ten Skulp­tu­ren offen­bart sich schon früh eine  Eigen­heit der plas­ti­schen Objek­te Kas­anow­skis: ihr fei­ner, tief­sin­ni­ger, manch­mal eher unter­schwel­li­ger Humor, eine Lust am Dop­pel­sinn und den Wort­spie­len, die mit leich­ter Hand die Form­deu­tun­gen und Form­fin­dun­gen erle­di­gen. Das Objekt „(Schaufel-)Paar“ von 1994 (Sei­te 20/21) besteht aus zwei ros­ti­gen Schau­fel­blät­tern ohne Holz­stiel, die ein­an­der zuge­neigt sind. Sie könn­ten eben­so zwei Rin­ger im Kampf wie zwei Schwa­che, die sich gegen­sei­tig auf ihrem Weg stüt­zen, sein, aber auch als ein sich zärt­lich anein­an­der leh­nen­des Lie­bes­paar betrach­tet werden.

 Die Form­deu­tun­gen und Form­fin­dun­gen der Künst­le­rin wer­den zwar mit spie­le­ri­scher Leich­tig­keit erar­bei­tet, doch sind sie weder zufäl­lig noch ober­fläch­lich. Sie resul­tie­ren viel­mehr aus einem dis­zi­pli­nier­ten, sys­te­ma­ti­schen Arbeits­pro­zess und einer expe­ri­men­tel­len, fast wis­sen­schaft­li­chen Vor­ge­hens­wei­se. Dabei respek­tiert sie die Bedin­gun­gen des Mate­ri­als mit einem wachen Emp­fin­den für die Mög­lich­kei­ten, die es zulässt.

 Eine hoch auf­ra­gen­de Plat­te mit drei­ecki­gem Quer­schnitt steht auf einer im Ver­hält­nis zu Höhe und Brei­te schma­len Basis und ver­jüngt sich zur obe­ren Kan­te hin in einen nur weni­ge Zen­ti­me­ter tie­fen Grat, der durch drei­ecki­ge Ein­schnit­te von einer gebirgs­ähn­li­chen Zacken­li­nie begrenzt wird. Oben rechts und unten links sind die Bohr­lö­cher aus dem Stein­bruch, an den Sei­ten­flä­chen die Säge­spu­ren erhal­ten. Mit spar­sa­men Ein­grif­fen wird die röt­lich ver­färb­te Ver­wit­te­rungs­krus­te abge­tra­gen und das hel­le Grau des Block­in­ne­ren frei gelegt. Aus­ge­hend vom obe­ren Bohr­loch ver­läuft eine fast gleich­mä­ßig brei­te, unre­gel­mä­ßig gekerb­te Ril­le nahe­zu par­al­lel zur Sei­ten­kan­te nach unten und erscheint wie ein Fluss­lauf, der sich in den Rasen­bo­den ergießt. Von dem ers­ten Drei­ecks­ein­schnitt auf der lin­ken Sei­te ver­läuft eine zwei­te Ril­le zunächst schräg nach rechts unten, um etwa an der Mit­te der Flä­che in einem sanf­ten Bogen und einer ste­tig dün­ner wer­den­den Linie aus­zu­schwin­gen. Zwi­schen bei­den Ril­len ist die Ver­wit­te­rungs­krus­te in einer ellip­so­iden Flä­che abge­tra­gen, die wie ein See zwi­schen zwei Flüs­sen wirkt.

Die „Lau­sit­zer Land­schaft“, 1996 (Sei­te 6) ermög­licht somit sehr ver­schie­de­ne sinn­li­che Erfah­run­gen; mit ihrer Höhe, die die Kör­per­grö­ße der meis­ten Betrach­ter über­ragt, kon­fron­tiert sie die­sen mit der gewal­ti­gen Monu­men­ta­li­tät einer Land­schaft, lässt aber gleich­zei­tig sei­nen hori­zon­ta­len Blick aus der Ebe­ne mit dem ver­ti­ka­len Blick aus der Höhe in einem Objekt ver­schmel­zen. Gleich­zei­tig erlaubt sie es, den Stein in sei­nen mate­ria­len Qua­li­tä­ten, sei­ner Schön­heit und sei­ner Gran­dio­si­tät als Teil einer vor Jahr­tau­sen­den ent­stan­de­nen Enti­tät zu entdecken. 

Die Instal­la­ti­on „Schau­fel­Rat“, 1998 (Sei­te 12/13) im Maga­zin­ge­bäu­de des Muse­ums­parks in Rüders­dorf hat zwar als raum­be­zo­ge­ne Kunst einen ganz ande­ren Cha­rak­ter als das oben beschrie­be­ne Objekt aus Stein, doch ver­mag auch hier der Umgang mit dem Mate­ri­al zu über­zeu­gen. Von der Bal­ken-Decke pen­deln an ihren lan­gen Stie­len in Rei­hen auf­ge­häng­te, unter­schied­lich geform­te und geros­te­te Schau­feln und Spa­ten und schwe­ben sorg­fäl­tig aus­ge­rich­tet in unter­schied­li­cher Höhe über dem Holz­bo­den; jedes ein­zel­ne Arbeits­ge­rät  als sicht­bar gebrauch­tes Werk­zeug scheint eine ande­re, geheim­nis­vol­le Geschich­te zu erzäh­len. Jedes reprä­sen­tiert die Indi­vi­dua­li­tät des ehe­ma­li­gen Benut­zers und wirkt als Meta­pher für die Arbeits­leis­tung der vie­len Men­schen, die Jahr­hun­der­te lang im Rüders­dor­fer Tage­bau mit ihrer Arbeit den wirt­schaft­li­chen Ertrag der Inha­ber gemehrt und den Unter­halt für ihre Fami­li­en geschaf­fen haben. 

Kas­anow­skis aus­ge­präg­te Lie­be zur Poe­sie des Mate­ri­als wird an der „Tän­ze­rin“, JJJJ  (Sei­te 42/43) erkenn­bar. Das Frag­ment eines blau­en Bril­len­ge­stells wird hier bis zur Uner­kenn­bar­keit der Aus­gangs­form in eine beschwingt tan­zen­de Figur gewan­delt und in Bewe­gung ver­setzt. Auch die­ses Objekt ein Beleg für Kas­anow­skis aus­ge­präg­te Fähig­keit, „um die Ecke“ zu den­ken und den betrach­ten­den Geist in sei­ner men­ta­len Beweg­lich­keit her­aus­zu­for­dern und zu sti­mu­lie­ren. Dass ihr dabei auch die Wor­te, die Spra­che und die Tex­te zum Mate­ri­al wer­den, ist fol­ge­rich­tig, denn auch sie sind Mate­ria­li­en der uns umge­ben­den Welt, und dass von dort der Sprung in die Klang­räu­me nur noch ein klei­ner ist, liegt nahe. Gleich­zei­tig ist aber die Ver­wand­lung von Text und Spra­che in akus­ti­sche Phä­no­me­ne ein Akt der Ent-Mate­ria­li­sie­rung, der die Fak­ti­zi­tät der Instal­la­ti­on wie­der in die Flüch­tig­keit der Zeit zurück wirft und sie damit der Ver­gäng­lich­keit anheim fal­len lässt.

 Die uner­hör­te Viel­falt der Form­tei­le aus Sty­ro­por, ein wegen sei­ner hap­ti­schen Qua­li­tä­ten und mas­sen­haf­ten Ver­brei­tung ver­ach­te­tes Mate­ri­al, hat aber wegen sei­nes gerin­gen Gewichts bei gro­ßem Volu­men schon oft Künst­ler zur Aus­ein­an­der­set­zung und Gestal­tung ange­regt. Kas­anow­ski wählt durch die Ver­bin­dung mit poe­ti­schen Tex­ten eine Metho­de der „Ver­ede­lung“. Dabei wählt sie ein ent­spre­chend auf­wän­di­ges Ver­fah­ren, indem sie die Tex­te in müh­sa­mer Hand­ar­beit auf die Sty­ro­por­blö­cke stem­pelt und schafft so aus dem bil­ligs­ten Indus­trie­ma­te­ri­al indi­vi­du­el­le Entitäten.

 Die Form­fan­ta­sien und der schaf­fen­de Impuls der Künst­ler wur­den schon immer durch gefun­de­ne Gegen­stän­de, unab­hän­gig von ihrer Her­kunft aus der natür­li­chen oder gestal­te­ten Umwelt, ange­regt – von den prä­his­to­ri­schen Ritz­zeich­nun­gen in Feu­er­stei­nen über mit­tel­al­ter­li­che Prunk­po­ka­le mit ein­ge­bau­ten Muscheln oder Schne­cken­häu­sern bis zu den im 20. Jahr­hun­dert ent­wi­ckel­ten Metho­den der schöp­fe­ri­schen Kom­pi­la­ti­on von Fund­stü­cken aller Art. Wäh­rend jedoch die his­to­ri­schen Objek­te nicht nur die Lebens­zeit ihrer Urhe­ber über­dau­ert haben und in den Kunst- und Wun­der­kam­mern der Muse­en sogar Jahr­hun­der­te lang über­le­ben konn­ten, rea­li­sie­ren die Künst­ler der 21. Jahr­hun­derts eine kon­se­quen­te tem­po­rä­re Begren­zung ihrer Schöp­fun­gen, die ent­we­der einen imma­nen­ten Ver­falls­pro­zess durch ver­gäng­li­che Mate­ria­li­en durch­lau­fen oder über­haupt nur für die Dau­er einer Aus­stel­lung geschaf­fen werden.

 Auch Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski erschafft sol­che tem­po­rä­ren poe­ti­schen Ver­bin­dun­gen von Din­gen, die auch für sich genom­men „schön“, „sinn­lich“ und „sinn­haft“ sind. Sie ent­deckt ihren magi­schen Cha­rak­ter und liebt ihre zeit­lich begrenz­te Exis­tenz eben­so wie ihre Ver­gäng­lich­keit; sie spielt mit der Fehl­bar­keit der Sin­ne und der insta­bi­len Wahr­neh­mungs­fä­hig­keit des Betrach­ters. Das macht ihre Arbei­ten viel­deu­tig und die Sicht des Betrach­ters auf sie wan­del­bar. Das Werk die­ser Künst­le­rin ist von einer erstaun­li­chen Viel­ge­stal­tig­keit und spricht für ein aus­ge­präg­tes krea­ti­ves Poten­zi­al, vor allen Din­gen aber für ihre anschei­nend uner­schöpf­li­che Gabe der Verwandlung.

Ber­lin, im Febru­ar 2010
Bri­git­te Hammer

Auszug aus der Rede von Ulrich Kavka zur Ausstellung in der Galerie im Turm, 2009

Der ande­re künst­le­ri­sche Weg, den die Bild­haue­rin beschrei­tet, hat nur schein­bar eine vor­der­grün­di­ge Aktua­li­tät im Fin­den von mas­sen­haft nutz­los Gewor­de­nem, das gleich­sam der Zufall in den Fokus gerückt hat. Viel­mehr ist es wohl so, dass die Künst­le­rin über ein Form­be­wusst­sein ver­fügt, des­sen star­ke Nei­gung zum Zei­chen- oder Block­haf­ten eigent­lich mühe­los zu erken­nen ist. Man könn­te dar­aus schluss­fol­gern, das Den­ken in gestal­tungs­wür­di­ger Absicht schöp­fe aus einem dies­be­züg­lich prä­zi­se vari­ier­ten und archi­vier­ten Arse­nal, sozu­sa­gen immer abruf­be­reit dann, wenn eine, inzwi­schen zusam­men­hang­lo­se, Figu­ra­ti­on in das Blick­feld des bild­ne­ri­schen Inter­es­ses gerät, näm­lich als brauch­ba­res Ver­satz- oder Ergän­zungs­stück einer plas­ti­schen Gestalt­vor­stel­lung, die im Spiel eben auch mit die­sen Mit­teln ihre Gül­tig­keit gewinnt.

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Hei­de­ma­rie Kas­anow­ski hat ihr Diplom als Bild­haue­rin 1990 an der HfBK Dres­den erwor­ben. Sie arbei­tet in Stein, Bron­ze, Holz, Kera­mik und Metall. Um ihrer Per­sön­lich­keit, also ihrem künst­le­ri­schen Tem­pe­ra­ment, ihrer Sin­nes- und Aus­drucks­art nahe zu kom­men, ist ein Ver­gleich mit Signet- und Mar­ken­ge­stal­tun­gen nicht abwe­gig, deren Exis­tenz und emp­fun­de­ne Wir­kung in star­kem Maße von der gebrauchs­gra­phi­schen Ver­knap­pung, Genau­ig­keit und Wie­der­erken­nung abhängt. Man kann ziem­lich sicher sein, dass die Indi­vi­dua­li­tät der Künst­le­rin von solch aus­ge­präg­ter Eigen­art ist. Natür­lich sind ihre Arbei­ten, befreit vom die­nen­den Cha­rak­ter der Wer­bung, eben frei­er und so auch stim­mungs­vol­ler. In wirk­lich poe­ti­schem Kon­text ste­hen die räum­lich mon­tier­ten Objek­te, hier etli­che schö­ne Zei­chen für Köp­fe, wenn sie flan­kiert, über­la­gert, auch kon­fron­tiert wer­den mit mono­lo­gi­schen Wort­fol­gen oder zum Nach­sin­nen nei­gen­den Gesangs­stü­cken. Zu der bild­haue­ri­schen Beru­fung gesellt sich dem­nach auch ab und an die der Autorin, der Sprach- und Gesangs­in­ter­pre­tin- solis­tisch oder bis­wei­len kol­lek­tiv inte­griert, im Chor. Die Fund­stü­cke, gro­ßen­teils metal­le­ne indus­trie­ge­schicht­li­che Relik­te, aber nicht nur, bil­den im Wesent­li­chen das Reser­voir für eine in sich geschlos­se­ne Werk­grup­pe. Da mutiert ein offen­sicht­lich stark benutz­ter Holz­spalt­keil zum Mit­tel­punkt der Kom­po­si­ti­on. Oder der Rest eines Bril­len­ge­stells, als sol­ches kaum noch aus­zu­ma­chen, ver­bleibt in einer durch­aus authen­ti­schen bal­lettö­sen Positur.

„Anru­fen der Mit­tel“ bedeu­tet, bei der Male­rin eben­so wie bei der Bild­haue­rin, zunächst ein frei­es Spiel mit den künst­le­ri­schen Mate­ria­li­en sowie deren Mög­lich­kei­ten.  Die Ein­schrän­kung oder die Erwei­te­rung- wie man will- zum Bild akti­viert zuneh­mend das genaue Hin­schau­en und so auch die Dis­zi­plin zu bild­ne­ri­scher Ord­nung. „Doch die Künst­le­rin­nen kön­nen nur schaf­fen, was sie zu sehen glau­ben, ob sie ihre Bil­der nun im Geis­te oder in der Natur sehen“, um zum Schluss noch ein­mal eine Auto­ri­tät, näm­lich Max Lie­ber­mann, zu bemühen.